Energie im Kreislauf
von Hartwig Berger

Aufsatz in naturmagazin
Berlin-Brandenburg 3/2011

      
  Mit der Industrialisierung hat sich eine Form der Energienutzung durchgesetzt, die auf Störung und teilweise Zerstörung eingespielter Naturkreisläufe gründet.. Am deutlichsten ist das beim Einsatz fossil abgelagerter Energieträger werden in ungeheurem Umfang Erdvorräte in die Luft verfeuert, die sich durch Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebildet haben. Ablagerungen aus zig Millionen an Erdjahren, die innerhalb von zwei Jahrhunderten wieder in die Erdhülle zurücktransportiert werden. Es bedarf nur geringer Phantasie, um sich auch ohne genauere Kenntnisse der Klimaforschung vorzustellen, dass ein derart massiver Eingriff in den Kohlenstoffkreislauf bleibt und die Lebensumstände auf dem Planeten verändern muss.

In anderer Weise gilt die „Kreislaufstörung“ für das Großrisiko der industriellen und militärischen Kernspaltung. Hier wird ein Kreislauf der weltweiten Verbreitung und vor allem der Neubildung etwa des Plutoniums und anderer Transurane strahlende Stoffe erst erzeugt. Die Vervielfachung der radioaktiven Potentiale, die immer weniger lokal wie quantitativ begrenzbar sind, verändert die Lebensumstände und gefährdet organisches leben auf lange Sicht und in einem gegenwärtig noch schwer abschätzbaren Ausmaß.


In ähnlicher Weise können wir die Neujustierung auf eine klimaverträgliche wie nuklearfreie Wirtschaft als einen epochalen ernsthaften Versuch werten, die Nutzung von Energie wieder Naturkreisläufen anzupassen. Deutlich wird das an den Energieträgern Wind, Sonne und Wasser. Diese Grundelemente des Lebens sind, anders als gewachsene oder abgelagerte Organik, dauerhaft, nicht erschöpfbar und darum als Energieträger unbegrenzt verfügbar. Der Betrieb von noch so viel Windrädern „verbraucht“ keine Luftbewegung. Die Windpotenziale der Erde schwinden nicht durch ihre energetische Nutzung. Luftbewegungen verändern sich zwar ständig, jedoch nicht aufgrund der Einwirkung „zwischengeschalteter“ Windräder. Die Kraft der Sonne wird nicht schwächer, wenn wir ihre Wärmestrahlung thermosolar konzentrieren oder ihre UV-Strahlung fotovoltaisch umsetzen. Die Menge des weltweit zirkulierenden Wassers verändern sich nicht, wenn aus ihrer Bewegung im Flusslauf oder Wellengang Energie extrahiert wird. Und die ebenfalls zukunftsträchtige Energiequelle Erdwärme ist in einem ungeheuren Umfang vorhanden, sodass ihre Nutzung gerade einmal die Außenhaut des Erdkörpers ritzen kann.

Allerdings ist eine Nutzung solarer, äolischer, aquatischer und geothermischer Energien keineswegs unbegrenzt möglich. Um sie zu erschließen, ist ein hoher Materialaufwand erforderlich, dessen Förderung und Herstellung immer ökologische Belastungen nach sich zieht. Am enormen Stahl- und Kupferbedarf für Windanlagen oder dem nach seltenen Erden bei der Fotovoltaik ist das evident. Geringere Energiedichte hat ihren Preis durch höheren Materialaufwand. Daher ist die zyklische Nutzung von Energieträgern nicht per se unproblematisch. Zu einer dauerhaft verträglichen Energieversorgung wird sie nur dann führen können, wenn sich der Umgang mit Energie zugleich maßvoll gestaltet. Es ist kein Verzichtsdenken sondern zukunftsgewandt, wenn die Einsparung von Energie – besser: die Bändigung unseres gegenwärtigen Energiehungers – als gleichwertig zu leistende Aufgabe genannt wird.

Sonderfall in einer zukunftsfähigen Kreislaufführung ist die Nutzung biogener Energie, von „Biomasse“. Sie als „erneuerbar“ mit den oben genannten Energieträgern gleichzusetzen, hat sich zwar im Sprachgebrauch eingebürgert, greift aber eindeutig zu kurz. Nur rein formal haben wir es mit einem ausgewogenen Naturkreislauf zu tun, indem nur so viel an Kohlendioxid freigesetzt werden kann, wie die Pflanzen zuvor durch organisches Wachstum gebunden haben. Nachhaltig ist das nur, wenn dabei nicht mehr an organischem Material vernichtet wird als nachwächst. Das aber kann angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse nicht ernsthaft behauptet werden. Pro Jahr gehen weltweit weit über zehn Millionen Hektar an Waldfläche verloren, werden ungebremst Sümpfe und Moore trockengelegt, Gras- zu Ackerland umgewandelt, geht fruchtbares Land mit fortschreitender Wüstenbildung und Versalzung verloren. Alles Senken für Kohlenstoff – und Lebensräume von unersetzlicher biologischer Vielfalt.

Nun ist der andauernde Schwund an planetarischer Biokapazität nicht allein und nicht in erster Linie dem weiter steigenden Energiebedarf, sondern zumindest ebenso dem Materialbedarf oder der Waldverdrängung durch land- und viehwirtschaftliche Nutzungen zuzurechnen. Auch wenn nicht unterschätzt werden darf, dass die Mehrheit der Menschen im globalen Süden, der existenziellen Not gehorchen, ihren täglichen Energiebedarf durch zwangsläufig übermäßige Nutzung von Holz, also durch schleichende Entwaldung, decken. Wenn aber, wie seit Jahren deutlich erkennbar, die industriellen Kernländer, verstärkt auf den „erneuerbaren“ Energieträger Biomasse setzen, dann verstärkt das die ohnehin bedenkliche Überbeanspruchung der Biosphäre. Die biogenen Energien werden dann sehr schnell zu einem Teil des Problems, statt zu einer möglichen Lösung des Energiedilemmas beizutragen. Am Konflikt mit dem weltweiten Ernährungsbedarf – zugespitzt der Alternative „Tank oder Teller“ wurde das in den letzten Jahren breit diskutiert. Eine zusätzliche bedenkliche Entwicklung zeichnet sich ab, wenn jetzt europäische und nordamerikanische Energiekonzerne daran gehen, ihre Emissionsbilanzen durch Zufeuerung von Holz in Kohlekraftwerken zu schönen .

Eine zukunftsfähige Wirtschaft, die den Rhythmen des Naturkreislaufs angepasst ist, wird weitgehend auf die älteste Technik der Energieerzeugung verzichten müssen, mit welcher sich die Menschheit vor einen halben Million Jahren definitiv von anderen Hominiden abzusetzen begann: Die Bändigung und Nutzung des Feuers. Diese wurde mit der Verbrennung fossiler Energieträger ins Unermessliche gesteigert. Um Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme zu nutzen, bedarf des dieses Zwischenschritts der Verbrennung, der Materialvernichtung, nicht

Die umfangreiche Nutzung dieser dauerhaften Energieträger kann uns daher nicht nur Kreisläufe der Natur zurückführen, sie wird auch den Abschied vom Feuer als paradigma der Energiegewinnung einläuten .

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