Die Hoffnung stirbt zuletzt: Andalusien im Niedergang – Aufschwung in Sicht?

von Hartwig Berger

Inhalt

Arbeitslosigkeit als Armutsfalle

Klimaschutz als Zukunftschance

1. Arbeitslosigkeit als Armutsfalle

José Jiménez trifft seine ebenfalls verrenteten Freunde im Freien, auf dem Ortsplatz von Campiñera, der an die Landarbeiterbewegung vor Francos Militärputsch 1936 erinnert. Unvermeidliche Ausgaben bei einem Kneipenbesuchs werden gespart. Zwar würde die Rente, die nach Jahrzehnten Arbeit auf dem Land oder im Bau gezahlt wird, zum Leben ausreichen; doch sind da noch die Kinder und Enkel. José hat 7 Kinder, Bauarbeiter mit Bauarbeitern verheiratet, wie er, alle arbeitslos und das teilweise seit Jahren. Die meisten erhalten wenigstens die Arbeitslosenhilfe, gegenwärtig 426 € , das ist selbst in einer ländlichen Kleinstadt nicht genug, um über die Runden zu kommen. Jaime, der im Hause seines Vaters José wohnt, erhält vom Staat keinen Cent mehr. Seit September 2012 wird Dauerarbeitslosen nichts mehr gezahlt, wenn sie keine eigene Wohnung und Familie haben.

Die Gewerkschaften schätzen, dass sich in Andalusien mehrere Hunderttausend Männer und Frauen in dieser Lage befinden und dass aus 350.000 Haushalten kein einziges Familienmitglied einer Arbeit nachgeht.

Auch die für Familien zu schmale Arbeitslosenhilfe ist alles andere als sicher. LandarbeiterInnen etwa erhalten sie lediglich, sofern sie im Laufe eines halben Jahres mindestens 35 volle Tage bei einem Betrieb beschäftigt waren. Angesichts der fortgeschrittenen Mechanisierung ist das nicht leicht zu erreichen. Und in Andalusien und Extremadura sind rund 200.000 Menschen als Gelegenheitsarbeiter auf dem Land registriert, zu 61% sind es Frauen . Viele von ihnen gehen leer aus, manche sind aus ihrer Notlage darauf verfallen, Bauern Geld zu zahlen, damit diese sie als Tagelöhner zum Schein registrieren. Besonders schlimm ist gegenwärtig die Lage im Olivenanbau, der in Andalusien noch relativ die meiste Landarbeit bietet. Doch hat die Dürre der letzten Saison die Ernte stark gemindert, in der wichtigsten Olivenprovinz Jaén um 75- 80% . Die wenigsten Olivenarbeiter kriegen so die erforderlichen 35 Tage zusammen – wenn sie überhaupt eine Anstellung gefunden haben.

Die Arbeitslosenhilfe – euphemistisch „Hilfe zur (Arbeits-)Vorbereitung“ genannt – wird über eine Zeit von einem halben Jahr gezahlt, die gegenwärtig allerdings meistens verlängert wird. Noch – denn zu Jahresbeginn erklärte Mariano Rajoy, Spaniens kurz darauf ins Zwielicht von Schwarzgeld und Korruptionsverdacht geratener Präsident, dass die Hilfszahlungen nicht mehr verlängert würden, sowie die Arbeitslosenquote landesweit wieder unter 20% gesunken sei. Bei den Betroffenen werden die Ohren geklungen haben, als jüngst die jahrelangen Extrazahlungen aus illegalen Spendengeldern an Rajoy und andere Spitzenfunktionäre der Partido Popular aufflogen… .

Einen makabren Trost haben sie gegenwärtig: Dass die Arbeitslosigkeit auf unter 20% sinkt und dann, wie angekündigt, Hilfszahlungen nicht mehr verlängert werden, liegt in den Sternen. Im Januar 2013 betrug sie 27%, bei weiter steigender Tendenz, wie alle Analysten meinen. Mit dem rigiden, von Spaniens Schattenkanzlerin Merkel durchgedrückten Sparkurs verarmen immer mehr Menschen, schrumpft auch deshalb der innere Markt und sind weitere Auftragsrückgänge und Betriebsschließungen zu erwarten. Die Wechselkursspekulationen auf dem Weltmarkt werden voraussichtlich dafür sorgen, dass der 2012 wieder wachsende Exportmarkt Spaniens – in Andalusien immerhin um 5 bis 10% – wieder zusammenfällt. Für Andalusien, mit derzeit 35% registrierter Arbeitslosigkeit, ist die 20% Marke ohnehin in weiter Ferne. Die Provinz Cadiz, in der wir uns gerade befinden, bringt es auf den traurigen Landesrekord von derzeit 40,6% zu Jahresbeginn 2013 .

Um weitere Entlassungen muss man sich in Josés Umgebung kaum sorgen. In Campiñera ist die Hälfte der BewohnerInnen bereits ohne reguläre Arbeit und Einkommen, 1.300 Personen bei 5.600 Einwohnern. Betriebe, die reguläre Arbeitsverhältnisse zu bieten haben, sind hier nicht zu finden, sieht man vom Rathaus und ein paar Handwerkern ab. Die in Überzahl ´vertretenen Läden, Kneipen und Restaurants, Geschäfte, Dienstleistungen arbeiten rein auf Familienbasis und haben alle mit schwerwiegenden Einbrüchen zu kämpfen. Und wer in die von Auftragskrisen geschüttelten Werften oder Zulieferbetriebe der Bucht von Cádiz pendelt, tut das zumeist nur mit befristetem Vertrag, der endet, sowie das Schiff repariert oder die Ölplattform gebaut ist. „In Andalusien hat uns die Krise besonders hart erwischt“, erklärt José. „ Als ich jung war, habe ich wie viele auf dem Land gearbeitet.

Aber die Latifundienbesitzer haben immer mehr Maschinen eingesetzt. Viele señoritos – „kleine Herren“ wie man die Großgrundbesitzer bis heute tituliert -bauen nicht mehr an, oder sie pflügen die Ernte unter, weil sie mit der Flächenprämie der EU genug verdienen. Zunächst allerdings fanden wir genug Arbeit im Bau. Damit ist seit Jahren Schluss, es geht uns schlechter als 1970, als es noch Arbeit auf dem Land und vor allem die Emigranten zur Arbeit in Deutschland oder Frankreich gab.“

Anders als in den 60er und 70er Jahren ist es für die Arbeiterfamilien immer schwieriger auf dem grauen Markt etwas zu finden und sich mit irgendwelchen Dienstleistungen durchzuschlagen. Selbst im ländlichen Milieu geht das kaum noch. Manch eine/r versucht es dort mit Ziegen oder Hühnern, nutzt dafür oder für Gärten Reste des Gemeindelandes, andere suchen und verkaufen Wildgemüse oder jagen, vielfach unerlaubt, Kaninchen und Feldvögel. Doch je mehr das tun, desto tiefer fallen die Abnahmepreise. Man widmet sich der Zucht von Hunden oder von Lockvögeln für die Jagd oder zieht Kampfhähne, junge Frauen bieten Frisierkunst, Gymnastikkurse oder sonstige Dienstleistungen, verkaufen auf den wöchentlichen Billigmärkten oder eröffnen mit den letzten Ersparnissen der Familien einen kleinen Laden, vom Handy-Angebot bis zu Schreibwaren und Süßigkeiten. Zum Leben reicht das alles nicht, weil immer mehr Menschen immer weniger für ein zugleich wachsendes Angebot an Dienstleistungen zahlen können.

Die Ausbreitung von Armut ist unverkennbar. In allen Ortschaften Andalusiens haben karitative Organisationen und Selbsthilfevereine „bancos de alimentos“ eingerichtet, Nahrungsmittel“banken“, wie man sie ausgerechnet im Wortspiel mit den Banken nennt, die hauptverantwortlich für die Dauerkrise und somit für die Verarmung sind. In Campiñera gibt es inzwischen drei Ausgabestellen für Familien, die hungern müssten, würden sie das nicht nutzen. In diesem Ort sind das etwa 80 Haushalte, wobei Stolz und Selbstachtung Viele davon abhält, die Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nicht hoch genug sind deshalb Aktionen der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SAT zu bewerten, die im August 2012 in mehreren Orten symbolisch Waren aus Supermärkten enteignete, um sie an bedürftige Familien zu verteilen. Seitdem gibt der Großhandel deutlich mehr seiner überschüssigen Waren an die bancos de alimentos. Ergänzt wird das über die insbesondere in den kleineren Orten noch lebendige Alltagssolidarität.

Die Familien rücken enger zusammen, Verwandte suchen sich gegenseitig zu helfen und die erwachsenen Söhne und Töchter – sofern als Arbeitslose einkommenslos – bleiben im Haus der Eltern, manchmal mit ihrem Freund oder ihrer Freundin. Wer als junger Mensch Möglichkeiten sieht und den Mut dazu hat, sucht ein Auskommen außerhalb Spaniens, vorzugsweise in Deutschland. Im ersten Jahresdrittel 2012 sollen 125.000 junge Menschen zwischen 20 und 35 Jahren Spanien verlassen haben . Allerdings stammen sie vorwiegend aus den urbanen Ballungsräumen, während die Jugend aus dem ländlich-kleinstädtischen Milieu bisher weniger Gelegenheiten und Kontakte für eine gleichwohl erstrebte Auswanderung gefunden hat.

Lösungen auf Dauer zu finden, ist schwierig. Zumal viele Familien Kredite am Hals haben, die sie nicht begleichen können. Das mag noch zu ertragen sein, wenn ein Auto oder Mobiliar nicht abbezahlt und schlimmstenfalls zurückgegeben wird. Anders steht es mit den Hypotheken auf Häuser und Wohnungen. Spanienweit wurden im Oktober 2012 397.000 Zwangsräumungen seit dem Jahr 2007 gezählt, bei steigender Tendenz und 50.000 laufenden Prozessen im Herbst 2012 . Inzwischen allerdings stornieren einige Gerichte diese Prozesse, um den Ausgang von Klagen gegen das noch aus der Franco-Diktatur stammende Hypothekenrecht vor dem Europäischen Gerichtshof abzuwarten. Anders als die Arbeitslosen in den Großstädten, die sich in den vielgeschossigen Bauten eine Wohnung auf Kredit gekauft haben, leidet man in den ländlichen Kleinstädte bisher nicht ganz so stark unter dem Damoklesschwert der Zwangsräumungen. Denn hier haben die meisten Arbeiterfamilien in den besseren Jahren ihre Häuser in Eigenarbeit und Verwandtschaftshilfe preiswert errichtet und waren deshalb weniger auf Kredite angewiesen, die nun nicht mehr bezahlbar wären.

Von der Regierung erwartet kaum jemand ein Ende der Dauerkrise. Eine Umfrage zu Jahresbeginn unter den 20-35jährigen, in ganz Spanien durchgeführt , spricht für sich: 87% haben keinerlei Vertrauen zur Regierung und 72% halten es für fast oder für gänzlich unwahrscheinlich, im laufenden Jahr eine Arbeit zu finden. Nach der kürzlich aufgedeckten Schwarzgeldaffäre ist das Ansehen der Politik, wenn überhaupt noch möglich, weiter in den Keller gerutscht. „Der Politik“, denn nahezu alle Parteien haben einen schlechten Ruf, neben der regierenden PP, der „Volkspartei“, auch die Sozialdemokraten der PSOE, denen man die politischen Fehler aus ihrer Regierungszeit und wie der PP ebenfalls jede Menge an Korruptionsfällen und Verfilzung mit Unternehmen und Banken vorwirft. Nach einer weiteren Umfrage, auch zum Jahresbeginn 2013 , halten 63% die Politik von einer weiterhin wachsenden Korruption durchsetzt und 95% bezweifeln, dass es in den Parteien überhaupt den Willen gibt, Korruption, Filz und Vetternwirtschaft ernsthaft zu bekämpfen. Der Begriff „Politikverdrossenheit“ ist viel zu harmlos, ja verniedlichend, um die Wut auf die „politische Klasse“ zu kennzeichnen, die einem aus der Bevölkerung in Spanien allenthalben entgegenschlägt.

2. Klimaschutz als Zukunftschance

a. Landwirtschaft

Kehren wir in den Ort Campiñera zurück. Verachtung der Politik und Resignation heißt nicht, dass sich die Menschen in Andalusien keine Gedanken darüber machen, wie ihre Lage zu bessern wäre. Vielen ist bewusst, dass die Landwirtschaft, traditionell ein zentraler Berufszweig, eine Menge Arbeit bietet, sofern sie anders und angemessen betrieben wird. So fanden die Besetzungen bisher brachliegender Latifundien und deren Bewirtschaftung durch Landarbeiter bei Sevilla und Córdoba durchaus Beachtung. Noch sind das nur Einzelfälle.

Einige junge Leute sehen andere Möglichkeiten, auf dem Land sinnvolle Arbeit zu schaffen. Sie sind für zwei Jahre in Fortbildungsprogramme aufgenommen worden, in denen sie Erosionsschutz , Bewaldung und Gärtnerei und allgemein Grünpflege lernen. Doch für die 30 Beteiligten endet das demnächst wiederum in Arbeitslosigkeit. Die Regierung sieht keine Anschlussbeschäftigung vor, wie überhaupt die derzeit in der EU diskutierten Programme gegen die Jugendarbeitslosigkeit, sollten sie wirklich eingerichtet werden, bisher nicht klären, wie die befristeten Maßnahmen zu Arbeit von längerer Dauer führen könnten. Ein Blick auf die kritische Umweltsituation der Landbewirtschaftung vor allem in den südeuropäischen Ländern kann da weiterhelfen. TeilnehmerInnen aus der angesprochenen Fortbildung werden geradezu darauf gestoßen, dass das umgebende Land durch eine rücksichtslos auf Ertragssteigerung und Maschinengängigkeit zielende Bewirtschaftung stark angegriffen, und durch unstreitig zunehmende extreme Wetterphasen wie anhaltende Dürre, massiven Starkregen und orkanartige Stürme noch stärker gefährdet ist „Schau Dir nur an, wie die Bäche nach dem letzten Regen diese Schluchten in die Äcker gerissen haben. Das Wasser hat die Erdschichten meterweise fortgespült. Kein Wunder, denn die Landwirte haben überall Sträucher und Bäume beseitigt, um mehr Platz für ihre Maschinen zu haben. Genauso schlimm sieht es auf den Hügeln aus, wo sie das Gestrüpp gerodet haben, um auch hier Felder oder Viehweide zu haben“, erklären Daniel und Isabel, zwei junge Umweltaktivisten, auf einer Tour über das Land. Es fällt nicht schwer sich auszumalen, wie eine neuorientierte EU-Agrarförderung wirksam sowohl zugleich zum Schutz des Landes wie zur Linderung der Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt werden kann. Zahlungen an die Landbesitzer müssen an die Auflage gebunden werden, auf allen sensiblen Flächen zuzulassen, dass dort Bäume wie Sträucher gepflanzt und sonstiger bewuchs geschaffen werden. „Da hätten wir dann Arbeit, denn das haben wir in den Kursen gelernt, die demnächst auslaufen. Wir könnten auch andere junge Leuten, die hier arbeitslos herumhängen, einweisen“. Hier wie anderswo in südeuropäischen Landregionen, die von Klimawandel wie von extremer Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind, könnte so die Europäische Union in zwei Krisenfeldern zugleich wirksam werden.

b. Solar- und Windenergie

Rund um Campiñera stehen einige Dutzend Windkraftanlagen. Die Feldmark der Provinz ist mit ihren fast ständigen Atlantikwinden ein ausgezeichneter Standort. Auch Solarenergie ist hier, bei 300 Tagen Sonne im Jahr und fast doppelter starker Strahlung wie z.B. in Deutschland ideal. Hier wie in den meisten südeuropäischen Krisenregionen liegt es auf der Hand, die Energieversorgung schnell und gründlich ganz auf Wind und Sonne umzustellen. Kein Vergleich zu Deutschland, wo man die volle solar-äolische Stromversorgung auch in 20 Jahren erreichen könnte. Doch trotz der idealen Voraussetzungen finden sich in Andalusien, erst recht in anderen südeuropäischen Regionen bisher viel zu bescheidene Ansätze einer solaren Energiewende. Was bisher geschah, kam hauptsächlich von außen. Bauherren und Betreiber der Windmühlen sind Spaniens großen Energiekonzerne, wie Iberdrola und Endesa. Firmensitz und Logistik befinden sich in Nordspanien und die Anlagen selbst wurden außerhalb des Landes produziert. Wirtschafts- und Beschäftigungseffekte in Andalusien waren und sind daher gering.

Hinzukommt, dass die Branche der Erneuerbaren Energien stagniert. Als eine der ersten Austeritätsmaßnahmen der neugewählten Rechtsregierung der PP stornierte der Industrieminister im Januar 2012 die günstigen Einspeiseregelungen für neu geplante Anlagen. Wenig später wurde nachgelegt und ab September die Mehrwertsteuer für die Erzeugung von Solar und Windenergie von bisher 8% auf 21% drastisch erhöht.

Moratorium und Preissprünge haben jeglichen weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien „mit Erfolg“ gestoppt. Für den Rest sorgen die generellen Investitionshindernisse in Spanien, wo die Verzinsung für Kredite, sofern überhaupt von den darnieder liegenden Banken gewährt, um fast das Doppelte über denen in Deutschland liegen . Kein Wunder, dass verfügbares Kapital in Strömen außer Landes, vorzugsweise in die reichen Staaten Europas fließt. Von Januar bis Juli 2012 war das eine Summe von 235 Mrd. Euro .

Eine konsequente Aufbaustrategie von Solar- und Windanlagen wäre in Spaniens Süden ein schlagkräftiges Programm gegen die Massenarbeitslosigkeit. Die Europäische Union und der spanische Staat hätten ein ideales Aktionsfeld, um eine im Klimaschutz zukunftsweisende wie operationell wirkungsvolle Wirtschaftsförderung mit wirksamer Beschäftigungspolitik zu verbinden. Sie „hätten“… , denn Anzeichen dafür sind bisher nicht zu sehen.

c. Energie sparen

Die meisten Haushalte und Kleinbetriebe haben mit Energie ein anderes Problem: hohe, steigende und mit den Einkommensrückgängen immer mehr ins Gewicht fallende Kosten. In den verflossenen besseren Jahren haben sie, ohne Beachtung der relativen Verbräuche, stromfressende Geräte, Klimaanlagen und mit Strom oder Gas betriebene Heizkörper gekauft. Zusätzlich sorgen die üblicherweise schlechten Energiestandards der Neubauten für hohe Aufwände von Heiz- oder Kühl-Energie. Viele Familien zahlen 10% und mehr ihres schmal gewordenen Einkommens für Strom, Gas und Wasser. Hinzukommen zu erwartende Preiserhöhungen, die für Strom binnen eines Jahres auf durchschnittlich 5-7% für Haushalte geschätzt werden . Energieverschwendung ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Die andalusische Energieagentur hat berechnet, dass die kleinen und mittleren Unternehmen Andalusiens mit einfachen Schritten 20% ihres Energiebedarfs und damit 2 Mrd. Euro im Jahr einsparen könnten . Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Privathaushalt pro Jahr Energie im Wert von 250 € umstandslos einsparen kann, ließe sich dem ein Summe von 500 Mio € addieren. Würden Gewinne aus der Energieeinsparung im Verhältnis „eins zu eins“ aufgeteilt, könnten 50.000 junge Menschen, sofern als Energieberater/innen ausgebildet, von diesem Gewerbe leben. „Natürlich würden wir das sofort machen“, erklären Jorge und Manoli, zwei Jungendliche aus dem Arbeitermilieu, die in Campiñera einen Selbsthilfeverein der arbeitslosen Jugend gegründet haben. „Aber es gibt dafür keine Kurse und wir sehen auch nicht, wo das Geld herkommen soll. Die Gelder aus Europa sind längst ausgegeben und wer weiß, was von den jetzt neu beschlossenen Geldern hier ankommt“.
Einen Hoffnungsschimmer sind die ständigen Erklärungen aus Europa, dass man endlich der massiven Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen zu Leibe rücken wolle. Woher das Geld dafür kommen soll, ist allerdings nach den jüngsten Beschlüssen des Europäischen Rats der Regierungschefs keineswegs klar.

d. Sanierung statt Neubauten

Den Söhnen und Töchtern von José Jiménez werden diese Fortbildungskurse nicht unbedingt helfen. Sie haben, wie viele der jetzt arbeitslosen Bauwerker, gleich nach der Schule Geld verdienen müssen und so ihr Handwerk, wie in der Region üblich, im Arbeitsvollzug gelernt. Zertifikate für spezifische Qualifikationen können sie nicht vorweisen. Ihre Zulassung zur Fortbildung zu EnergieberaterInnen wäre damit unsicher. So hoffen sie, dass die darnieder liegende Bauindustrie neu anspringt und sie in ihr altes Gewerbe zurückkehren können. Ein Hoffnung mit einem gewissen Realitätsgehalt für den Fall, dass Spanien fortan und mit europäischer Hilfe konsequent auf Sanierung und Instandsetzung, statt wieder auf den Irrsinn eines zügellosen Neubaus setzt. Hier würden Bauarbeiter gebraucht, dieses Mal für eine zukunftsweisende Aufgabe. Denn eine klimaverträgliche Solarwende ist selbst im von Sonne und Winden gesegneten Andalusien nur zu schaffen, wenn der exzessive Energiebedarf für Wärme wie Kühlung deutlich verringert wird. Die technischen Möglichkeiten sind vorhanden. Fehlen nur die Finanzen und der politische Einsicht. Wird sie in Madrid, Brüssel und den übrigen europäischen Hauptstädten Raum finden?

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://www.hartwig-berger.de/cms/die-hoffnung-stirbt-zuletzt-andalusien-im-niedergang-aufschwung-in-sicht/

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.