Klimaschutz als Beruf

Für eine Europäische Jugendgarantie mit grüner Qualifizierungsoffensive

Eine zukunftsorientierte Qualifizierungsoffensive für den Klimawandel muss von der Jugend getragen werden

1. Jugend für eine nachhaltige Zukunft

Die Klimakrise erlaubt keinen Handlungsaufschub. Wenn die Kipppunkte hin zu einer sich selbst verstärkenden Erderwärmung immer näher rücken, sind schnelle und einschneidende Maßnahmen gefordert. Nicht irgendwann und woanders, sondern hier und jetzt.

Klimaschutz verlangt Engagement, aber auch Kreativität, technisches Know-How und qualifizierte, harte Arbeit. Die Energiewende beschleunigen, Speichertechniken entwickeln, Gebäude zu Nullenergie oder zu Energieproduzenten umgestalten, Wohnformen und Mobilität umweltverträglich gestalten: gefragt sind Aktivitäten, Know-How und der Einfallsreichtum von Menschen, die imstande sind, Wege und Lösungen zur Eindämmung der globalen Klimakrise zu entwickeln und umzusetzen. Das beginnt in der Energiewende bei ausgebildeten Handwerkern und Ingenieuren und setzt sich fort über Experten für Energieplanung und digitale Steuerung von Prozessen. Wir brauchen Forschung für notwendige technische und soziale Innovationen und wir brauchen Beratungs- und Kommunikationsinstrumente, um diese Innovationen in die Breite zu tragen, Akzeptanzbarrieren zu überwinden und Lösungen an die konkreten Bedarfe anzupassen. Dabei reicht der Bedarf an qualifizierter wo-men-power weit über energiebezogene Aufgaben hinaus, denken wir nur an die Herausforderung Landwirtschaft klimaverträglich umzugestalten, die Wälder vor Mega-Bränden in Dürresommern zu bewahren, sie klimagerecht umzugestalten, aufzuforsten, Landschaften und Städte den härteren Umständen in der Klimakrise anzupassen oder um den Umgang mit Wasser, Bewässerung und Regenwasser so zu gestalten, dass die Folgen verschärfter Wasserkrisen im veränderten Klima beherrschbar bleiben.

In vielen Regionen und Städten der Europäischen Union fordert die Jugend Klimaschutz hier und jetzt unmissverständlich ein.In vielen Regionen und Städten der Europäischen Union fordert die Jugend „Klimaschutz hier und jetzt“ unmissverständlich ein. Durch die „Fridays for Future Bewegung“ ist ein Sog entstanden, der zum Handeln auffordert und zwingt. Über das praktische Engagement hinaus sind dazu viel technisches Wissen und Know-how, eine große Breite an neuen fachlichen und überfachlichen Skills notwendig, um tatsächlich Klimaschutz erfolgreich umzusetzen. Europa braucht sehr viele junge Menschen, die für die vielfältigen Aufgaben im Klimawandel vorbereitet und qualifiziert sind. Der Bestand an Fachkräften reicht für einen ernsthaften „green new deal“ bei weitem nicht aus: Europa und auch die restliche Welt braucht vor allem junge Fachkräfte.

Für den Klimaschutz steht also eine europaweite Qualifizierungsoffensive in vielen Handlungsfeldern an. Wie kann die Europäische Union als solche dazu beitragen, nach den Europawahlen und ohne Verzug? Eine zukunftsorientierte Qualifizierungsoffensive für den Klimawandel muss von der Jugend getragen werden – doch gerade sie ist im statistischen Durchschnitt deutlich stärker vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt. Für Anfang 2019 vermeldet die EU eine Arbeitslosenquote von 6,3%, für die Altersgruppe zwischen 20 bis
29 Jahren hingegen von 10,6%[1]. Noch krasser zeigt sich die Diskrepanz in den südeuropäischen Ländern, also in Regionen, die von den sich anbahnenden Klimakatastrophen besonders getroffen sind und in denen sich zugleich große Ressourcen im Bereich der regenerativen Energien bieten. Zum Jahreswechsel 2018/19 liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland bei 31,6, in Spanien bei 23,8%; in Kroatien bei 16,6%, in Italien bei 23,5%. Und das, obwohl gerade aus diesen Ländern junge Menschen in Massen zur Arbeitssuche in nordeuropäische Regionen abgewandert sind.

Nun verfügt die EU im Kern bereits über ein Instrument, mit dessen Ausbau sie für einen Green New Deal starke Impulse geben kann: die Europäische Jugendgarantie. Nach ansteigender Jugendarbeitslosigkeit 2013 beschlossen, verpflichtet sie die Mitgliedstaaten, jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren binnen vier Monaten entweder eine bezahlte Arbeit oder einen Ausbildungsplatz zu offerieren. Nach Vorlage von
Umsetzungsprogrammen erhalten die Länder Gelder aus dem Etat der EU. Bis 2018 standen dafür insgesamt 6,4 Mrd. € zur Verfügung, inzwischen sind es 9 Mrd. €. Dass mit dieser Summe die Jugendarbeitslosigkeit allenfalls nur gelindert werden kann, liegt auf der Hand. Und wenn die Europäische Kommission sich jetzt darauf beruft, dass sie unter den 18- bis 24-jährigen EU-weit von 24% 2013 auf 14,6% Anfang 2019 zurückgegangen sei, ist das eher Folge einer gewissen wirtschaftlichen Belebung und der innereuropäischen Migration.

Dass die Jugendgarantie bisher nur eine begrenzte Wirkung entfaltet hat, kann nicht überraschen. Wenn Jugendliche ohne zusätzliche Bildungsmaßnahmen zu minimalem Lohn eingestellt werden, aufgebessert mit öffentlichen Zuschüssen, lädt das viele Unternehmen zu Mitnahmeeffekten ein. Ohne eine gleichzeitige wirtschaftliche Veränderung bleibt die Jugendgarantie ein Instrument, das den jungen Menschen nur vorübergehend eine Berufsperspektive gibt; oder sie führt zu Umschichtungen auf dem Arbeitsmarkt. Allein für sich genommen, eröffnet sie keine nachhaltige Beschäftigungsperspektive und keine neue Arbeit. In Wirtschaftsbereichen, in denen es nicht mehr Arbeit oder absehbar sogar weniger Arbeit gibt, gleicht sie einem Nullsummenspiel.

Eine positive Wirkung auf Dauer kann sie hingegen in Wirtschaftsbereichen entfalten, die in der kommenden Zeit gefragt und für die Zukunft der Gesellschaft wichtig sind. Ausbildung und Arbeit junger Menschen sollte vorzugsweise in solchen Geschäftsfeldern und Aktivitäten gefördert und unterstützt werden. Wir schlagen daher eine Erweiterung der Jugendgarantie in der Weise vor, dass sie zugleich Impulse für einen grünen New Deal gibt. Sie sollte um eine zielgerichtete Qualifizierungsoffensive ergänzt werden, die allen Mitgliedstaaten entsprechend ihrer Rate an Jugendarbeitslosigkeit angeboten wird: Die EU bietet jungen Menschen, die bisher keine auskömmliche Arbeit gefunden haben, Ausbildung in Fachfragen und „empowerment“ zur anschließenden Berufssuche, zur Gründung von Unternehmen oder Kooperativen und Mitwirkungsmöglichkeiten in Genossenschaften in Berufsfeldern an, die geeignet sind, eine zukunftsfähige Gestaltung der Union voranzubringen. Ein Bereich, der sich hier besonders anbietet, sind Aktivitäten zur Verbesserung des Klimaschutzes und zur Eindämmung der Folgen der Erderwärmung.
Wir schlagen vor, die europäische Jugendgarantie um ein zusätzliches EU-finanziertes Angebot „Jugend für eine nachhaltige Zukunft“ zu erweitern. Über dieses Angebot sollen junge Europäer*innen, darunter auch junge Geflüchtete mit Aufenthaltsrechten, eine primäre oder ergänzende Ausbildung in Berufszweigen erhalten, die für den Klimaschutz wichtig und notwendig sind. Dabei sollte die Ausbildung eng mit praktischen Aktivitäten und Erfahrungen vor Ort verbunden werden, ähnlich dem „dualen Modell“ der Berufausbildung in Deutschland. Die jungen Menschen sollten auch lernen, wie sie im Sektor Klimaschutz und Energiewende selbst initiativ werden können, start-up Unternehmen gründen und in Projekten solidarischer Ökonomie tätig werden. Gerade im Sektor einer klimaverträglichen Energiewende und Arbeitsgestaltung sind Eigeninitiative und Kreativität besonders gefragt.

Die Finanzmittel, über welche die Europäische Jugendgarantie verfügt, reichen bei weitem nicht, um das erklärte Ziel zu erreichen, allen jungen Eurpäer*innen den Weg in einen Beruf und in auskömmliche Arbeit zu öffnen. Daher muss in den anstehenden Beratungen des europäischen Haushalts der für die Jugendgarantie vorgesehen Fonds erheblich ausgeweitet werden.

Der Anteil der Erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch der EU muss bis 2030 mindestens 32% betragen.Zudem setzt das vorgeschlagene Bildungsangebot „Jugend für eine nachhaltige Zukunft“ voraus, dass entsprechende Klimaschutz-Aktivitäten tatsächlich in Angriff genommen werden. Doch dazu sind alle Mitgliedsstaaten der EU mit dem Pariser Abkommen zum Weltklimaschutz ohnehin völkerrechtlich verbindlich verpflichtet. Die EU-Kommission hat da kürzlich „nachgelegt“ und in neuen, mit dem Europaparlament und dem Europäischen Rat ausgehandelten Richtlinien Anforderungen vorgegeben, die in den kommenden Jahren umzusetzen sind[2]. Um nur zwei zu nennen: Der Anteil der Erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch der EU muss bis 2030 mindestens 32% betragen. Dabei behält sich die Kommission vor, mit einem neuen Richtlinienvorschlag bis 2023 den Anteil weiter zu erhöhen. Und die Energieeffizienz muss europaweit bis 2030 um 32,5% gesteigert sein. Angesichts der Dramatik der Klimakrise sind diese Vorgaben noch zu niedrig angesetzt; doch allein sie machen es zwingend, in kurzer Zeit weit mehr als eine Million junge Europäer*innen so zu qualifizieren, dass sie beim Umbau der
Energieversorgung mitwirken.

Es sind gerade die von hoher Jugendarbeitslosigkeit betroffenen südlichen Regionen, die für die Nutzung von Solar- und Windenergie günstige Bedingungen bieten und zudem bezüglich der Energieeffizienz einen hohen Nachholbedarf haben. Sie sind zudem in den kommenden Jahren stärker als Nordeuropa mit Folgen des deregulierten Klimas konfrontiert und müssen sehr viel tun, um Desertifikation, Erosionsgefahren, schwere Wasserkrisen und negative Wirkungen auf die Landwirtschaft in Grenzen zu halten. Auch aus diesem Grund können sie es sich nicht leisten, junge Menschen dauerhaft von Beschäftigung auszugrenzen oder zur Abwanderung in andere europäische Regionen zu zwingen. Sie brauchen ihre Jugend, um die Lebensfähigkeit der eigenen Gesellschaft zu erhalten.

2. Systemischer Ansatz für eine südeuropäische Qualifizierungsoffensive im Bereich des nachhaltigen Bauens und der regenerativen Energien

2.1 Stärkung der grünen beruflichen Bildung und grüne Berufsorientierung in den Zielländern

2.2. Ergänzende Bildungsdienstleistungen für „Young Experts“ in grünen technischen Berufen

2.3. Jugend ohne Arbeit und Berufsbildung

3. Handlungsempfehlung

 

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Autor*innen:
Dr. Hartwig Berger, Dr. Rüdiger Klatt(FIAP e.V.), Silke Steinberg(FIAP e.V.)

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