Spanien in der Euro-Krise – Zwischen Bankenruin und Staatsinsolvenz

von Hartwig Berger in Kommune

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„Mit Spanien wird sich das Schicksal Europas entscheiden“, schreibt Paul Krugman, Wirtschaftsnobelpreisträger 2008, in einem Artikel der Tageszeitung „El Pais“, der wenige Tage vor dem EU-Gipfel 28./29. Juni erschien. Es drohe ein breitflächiger Zusammenbruch des spanischen Bankensystems mit dann folgenden Kettenreaktionen im Euro-Raum und in der gesamten EU. Diese Gefahr sei mit dem EU-Finanzminister-Beschluss Anfang Juni, dem spanischen Staat Kapital bis zu 100 Mrd. € zur Rettung der Banken zu leihen, nicht gebannt, nur verlagert worden. Banken zu retten, indem man einem stark verschuldeten Staat, mit zudem schwindenden Einnahmen, für die gewährten Kredite verantwortlich macht, war ein Danaergeschenk. Es hätte vor allem die Risiken einer Staatsinsolvenz vergrößert. Entsprechend prompt reagierten die internationalen Kreditgeber auf den von der deutschen Bundesregierung durchgesetzten EU-Finanzminister Beschluss: Die Risikoprämie für Kredite an Spanien stieg auf bisher unerreichte Rekordwerte, das fast sechsfache der durchschnittlichen deutschen Kreditzinsen, für Zinsen auf 10-Jahreskredite wurden mehr als 7% verlangt. Jenseits dieser Schwelle sind Staatsanleihen nicht mehr sinnvoll, da sie lediglich die Zinslasten selber begleichen. So war es in der heillosen Logik der Finanzwelt nur konsequent, dass die Rating-Agenturen Spaniens Kreditwürdigkeit auf „BAA3“ abstuften, wenig eben über das gefürchtete Ramschniveau.

Dennoch hat Spanien wenige Tage vor dem EU Gipfel Ende Juni mit den Stimmen der beiden großen Parteien PP und PSOE den Fiskalpakt ratifiziert. Das Land ist damit, gegen den entschiedenen Protest einer breiter werdenden Volksbewegung, verpflichtet, sein Haushaltsdefizit binnen zwei Jahren auf 3% und mittelfristig auf 0,5% zu verringern. Zu Jahresbeginn 2012 lag das tatsächliche Defizit bei über 8% und die kumulierte Verschuldung erreichte Ende Mai bereits 3,4%, sie lag damit um 30% höher als Ende Mai 2011. Dass Spanien unter diesen Vorgaben das mit der EU vereinbarte Jahresdefizit von 5,3% erreicht, erscheint nach gegenwärtigem Stand ausgeschlossen. Ein Scheitern der insbesondere von Deutschland aufgezwungenen Austeritätspolitik zeichnet sich ab. Die Kapitalflucht aus Spanien hat sich beschleunigt – von 68,3 Mrd. € 2011 auf 121,9 Mrd. € allein im ersten Halbjahr 2012. Zugleich schmelzen mit der Wirtschaftskrise die Staatseinnahmen; derzeit liegen sie um 5-6% unter denen des Jahres 2011. Bereits beschlossene wie angekündigte Kürzungen in der Sozial- und Gesundheitspolitik werden die Staatseinnahmen noch weiter schmälern. Ein Index dafür sind die Erträge aus der Mehrwertsteuer, die sich im Vergleich zum Vorjahr um 10% verringert haben. Angesichts der fortschreitenden Verarmung immer breiterer Kreise der Bevölkerung ist das keine Überraschung. So ist jede/r Vierte arbeitslos, wobei fast die Hälfte der Betroffenen kein Arbeitslosengeld oder eine ähnliche Unterstützung bezieht.

Der EU-Gipfel vom 28/29 Juni hat den Flächenbrand, den der Beschluss der EU-Finanzminister vorzeichnete, fürs erste vermeiden können. Es war keine „Erpressung“, wenn Mariano Rajoy und Mario Monti ihre Zustimmung zum vereinbarten Paket davon abhängig gemacht haben, dass der Euro-Rettungsschirm seine Kredite direkt an die Banken und ohne Verantwortungsübertragung an die Staaten vergibt. Denn zumindest Spanien stand – wie Krugmann zutreffend diagnostizierte – direkt am Abgrund..

Menschen oder Banken retten?

Am rettenden Ufer ist Spanien damit keineswegs. Allein der Blick auf den Bankensektor hält aufkeimende Hoffnungen klein. Die Banken sind Opfer und Gefangene der gigantischen Immobilienblase, die sie durch leichtfertig und unterhinterfragt vergebene Kredite wesentlich mit zu verantworten haben. Ihre akkumulierten Verluste überschreiten jede Vorstellungskraft. Das Institut Roland Berger veranschlagt sie auf 119-170 Mrd €, das Unternehmen Wyman sogar auf 170-270 Mrd. €. Nach anderen Schätzungen müssen die spanischen Banken zwischen 45% und 65% ihrer im Immobiliensektor vergebenen Kredite als Verluste abschreiben. Die Agentur Moody´s verstärkte Ende Juni den zu befürchtenden Niedergang noch dadurch, dass sie die Notierung für 28 spanische Banken um eine bis zu vier Notierungen herunterstufte, sieben Banken sind damit auf den Einstufungen „BB“, vulgo auf Ramschniveau gelandet.

Auf Doppelramsch steht die viertgrößte spanische Bank „Bankia“, eine Neugründung von 2010, mit der sich die stark im Ruch von Filz und Korruption stehenden Banken von Madrid und Valencia mit fünf weiteren Regionalkassen zusammenschlossen. Die Verflechtung mit parteipolitischen Interessen vor allem der jetzt regierenden PP (Partido Popular) sind auffallend. 14 der 33 Mitglieder aus den Vorstandsetagen sind hochrangige PP-Politiker, vom ehemaligen Vizepremier Rodrigo Rato bis zum Expräsidenten der Region Valencia, José Luis Olivas. Diese Verflechtungen von Politik, Bankwesen und Baulobby sind generell ein Grund dafür, dass die Immobilienspekulation in Spanien derartige ungedeckte Ausmaße annehmen konnte. Überzogene und kostspielige Prestige-Projekte wurden vorfinanziert, ohne dass ihre Bonität geprüft war. Nur eines der zahlreichen Beispiele ist der inzwischen weithin bekannte Geister-Flughafen von Castellón, auf dem nie ein Flugzeug gelandet ist – und wohl auch nie landen wird. Auch die völlig überdimensionierte und teilweise leerstehende „Stadt der Künste und Wissenschaften“ in Valencia ist ein Beispiel investiver Inkompetenz und vermutlich von Korruption.

Die Fusion der sieben maroden Kassen zu „Bankia“ erfolgte vor allem in der Absicht, die Defizite der vielen Fehlspekulationen wie im Fall Valencia „einzubetten“. Der Staat wurde durch Nationalisierung der Bankia in Mitverantwortung genommen. Danach ging Bankia an die Börse, nachdem der Vorstand unerwartet einen Gewinn von über 300 Mio € gemeldet hatte. Nach dem erfolgreichen Börsengang wurde hingegen ein Verlust von 3,8 Mrd. e gemeldet und seine Begleichung durch die Staatskasse reklamiert. Die Aktienwerte der getäuschten Käufer rutschten in den Keller. Ende Mai dann meldete die Bankia einen insgesamt ermittelten Kapitalbedarf von 23,5 Mrd. €. Erst jetzt musste der Vorsitzende seine Hut nehmen. Spanien beantragte einen Rettungsfonds für das marode Bankenwesen insgesamt – hier sollen nun nach dem Eurogipfel die EU-Rettungsfonds mit direkten Krediten einspringen.

Vor allem die weit verzweigte Bewegung der Indignados, der Empörten, greift die Machenschaften der spanischen Finanzwelt an. Zum Fall Bankia hat sich eine landesweite Kampagne unter dem beziehungsreichen Namen „Bankiarrota“ gebildet (bancarrota wäre Spanisch für bankrott). Zum Hintergrund ist an die zahlreichen Zwangsräumungen von Familien aus ihren Wohnungen zu erinnern. Sie werden von den Banken beantragt und gerichtlich durchgesetzt, wenn die Bewohner ihre Hypotheken nicht mehr oder nicht ausreichend zahlen können. Man muss dazu wissen, dass in Spanien Wohneigentum der Regelfall ist. Auch und gerade Arbeiterfamilien waren in den letzten Jahrzehnten weitgehend gezwungen, Wohneigentum zu erwerben, wenn sie eine (scheinbar) gesicherte Unterkunft suchten. Während in ländlichen Regionen noch vielfach Häuser in familiärer Selbsthilfe gebaut werden konnten, war und ist das in den großen Städten nicht möglich. Die breite Mehrheit der Bevölkerung musste sich Wohnraum per Kreditaufnahme verschaffen. Mit Krise und sich ausbreitender Arbeitslosigkeit wurden zahllose Haushalte zahlungsunfähig – und Opfer der Zwangsräumungen, welche die hoch verschuldeten Banken verlangen. Bisher sind mindestens 150.000 Wohnungen zwangsweise geräumt und ihre BewohnerInnen auf die Straße gesetzt worden, bei weiterhin steigender Tendenz. Zugleich stehen infolge der Immobilienblase in Spanien anderthalb Millionen Wohnungen, fertig oder weitgehend fertig gebaut, leer.

Während zahlungsunfähige Familien auf die Straße gesetzt werden, erhalten hoch verschuldete Banken, die ihre Kredite (ebenfalls) nicht zurückzahlen können, Hilfen in Milliardenhöhe. „Retten wir die Menschen, nicht die Bänker“, ist der Leitspruch der Bankiarrota-Kampagne. Ihr Vorschlag ist, mit den zugeschossenen Milliarden den bedrohten Familien zur Zahlungsfähigkeit und damit den Banken zur Rückzahlung sonst verlorener Kredite zu helfen. Dem Vorschlag ist Kreativität nicht abzusprechen, wenngleich sich der Löwenanteil der verlorenen Kredite nicht bei den Hypotheken, sondern bei den spekulativen Verlusten der Bau- und Immobilien-Branche konzentriert. Zugleich engagiert sich die Indignados-Bewegung für einen Stop aller Zwangsräumungen, die Einleitung von Prozessen gegen alle in die Finanzkrise verwickelten Bänker und Politiker und für die Nationalisierung aller Banken, bei einer engmaschigen demokratischen Kontrolle ihrer Aktivitäten.

Doch selbst vorsichtige Ansätze in Richtung Banken-Kontrolle werden bisher von der Parlamentsmehrheit der PP blockiert. So fordern Izquierda Unida („Vereinigte Linke“) und zögerlicher ( da in Bankenfilz verwickelt) auch die PSOE (Sozialisten) vergeblich, Ursachen und Hintergründe der Bankenkrise durch eine parlamentarische Kommission zu untersuchen und zugleich die Nutzung der EU-Finanzhilfen parlamentarisch zu kontrollieren. Licht auf Verfilzungen, unprofessionelle Kreditvergabe, wahrscheinlich auch Betrug und Korruption zu verwerfen, erscheint vor allem für die PP viel zu riskant. Man darf gespannt sein, ob die EZB und Europäische Kommission einer Kreditvergabe an spanische Banken zustimmen, ohne deren Misswirtschaft zu durchleuchten. Immerhin ist es der kleinen linksliberalen Partei UpyD (Union für Fortschritt und Demokratie) Anfang Juli in einem spektakulären Schritt gelungen, eine gerichtliche Untersuchung gegen 33 ex- oder noch Vorständler der Bankia einzuleiten. Der Nachfolger von Baltazar Garzón ermittelt wegen Bilanzfälschung, Veruntreuung und Preismanipulationen. Gerade nach dem Fall Garzón (vgl. Anmerkung 1) darf man gespannt sein, ob er sich damit gegen die Politik durchsetzt. Die Erfahrungen um die Absetzung von Garzón sind da nicht ermutigend.

Sozialabbau und rückwärtsgewandte Wirtschaftspolitik

Nach den Wahlen für das nationale Parlament, im November 2011 hat die rechte PP eine abnsolute Mehrheit, in den Regionen ist sie nach vorausgehenden Wahlen fast überall direkt oder mit anderen Rechtsparteien an der Regierung. Das gilt ebenso für die meisten Großstädte des Landes wie Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla, Córdoba. Lediglich in Andalusien und Asturien hat die PSOE mit der IU („Vereinigte Linke“) eine regierungsfähige Mehrheit. Euzkadi, das Baskenland, ist ein Sonderfall, insofern hier PSOE und PP bei knapper Mehrheit eine Art Schutzkoalition gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen gebildet haben. Die PP-Regierung unter Rajoy nutzt ihre Mehrheit, um die Austeritätspolitik, die sie während der Regierungszeit der PSOE kritisiert hat, nun schärfer und konsequenter durchzusetzen. Wobei die PSOE unter José Luis Zapatero eben wegen dieser Politik die Wahlen bei einem Rekord an Wahlenthaltungen verloren hatte. Rajoy wartete die – unerwartet verlorenen – Regionalwahlen in Andalusien von Ende Februar ab, um Anfang März ein Sparprogramm neoliberalen Zuschnitts vorzulegen und beschließen zu lassen. Im Gesundheitssektor wurden Leistungen gekürzt und Zuzahlungen verlangt, die Gebühren für den Universitätsbesuch mehr als verdoppelt, Kürzungen mit Stellenstreichungen im Bildungssektor durchgesetzt (wobei die Privatschulen der Kirche, bisher gesellschaftlicher Verbündeter der PP, ausgespart blieben). Zugleich wurde das Arbeitsrecht reformiert, Entlassungen erleichtert, Entschädigungszahlungen für Entlassene gekürzt, die Bedingungen für Zeitarbeit erleichtert, von Gewerkschaften ausgehandelte Branchen-Tarife erschwert. Trotz Massendemonstrationen und einem befristeten Generalstreik der Gewerkschaften wurden diese Vorhaben realisiert. Da sie zur Reduzierung der Staatsverschuldung offenkundig nicht ausreichen, sind inzwischen weitere Sparmaßnahmen angekündigt. So hat offenbar der Euro-Gipfel von Spanien verlangt die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Sie ist bisher insbesondere für Grundnahrungsmittel stark reduziert, eine Erhöhung wird vor allem die ärmeren Bevölkerungsgruppen treffen. Dagegen weigert sich die PP bisher, eine (Wieder-)Einführung der Vermögenssteuer auch nur zu erwägen.

Die bisherigen wirtschaftspolitischen Ansätze der PP-Regierung sind alles andere als überzeugend. „Beispielgebend“ war die erste im Jahr 2012 erlassene Rechtsverordnung: Die Streichung aller wirtschaftlichen Anreize für die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien. Wenn es im Spanien der letzten Jahre irgendwo einen vielversprechenden Aufschwung gegeben hat, dann in diesem Sektor. Bis 2011 verzeichnete er Zuwachsraten von jährlich 10% und mehr, der Strom aus Windkraft konnte 2011 – bei 15% Anteil – mit dem Nuklearstrom aus den 6 AKWs fast gleichziehen. Insbesondere Spaniens Süden könnte sich binnen weniger Jahre zu einem europäischen Hauptproduzenten für Strom aus Wind und Sonne (Fotovoltaik wie Thermosolar) entwickeln, Voraussetzung dafür wären jedoch gezielte wirtschaftliche Impulse, die auch dazu ermutigen, eine entsprechende Anlagenproduktion in Spanien selbst zu entwickeln. Der Abbruch der Förderung ist von doppelter Absurdität, da zugleich die staatlichen Begünstigungen für Strom aus Atom- und Wasserkraftwerken beibehalten wurden. Man kann das nur als Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit der einschlägigen Konzerne werten. Dabei hat Spanien die nach der Fukushima-Katastrophe zugesicherten AKW-Sicherheitsüberprüfungen bisher nicht durchgeführt . Außerdem ist die Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund zurückgehender Niederschläge zunehmend problematisch.

Der Staatshaushalt wird durch die Vergünstigungen für Atom- und Wasserkraft-Strom weiter belastet, da er Defizite im Stromsektor ausgleichen muss, die sich nach Auskunft des Industrieministers inzwischen auf 24 Mrd. summieren. Statt z. B. ein mit Sicherheit von der EU unterstütztes Sanierungsprogramm für die hoch energieverschwenderische Gebäudestruktur in Spanien zu beschließen und so als „Nebeneffekt“ die hohe Arbeitslosigkeit in der Baubranche zu verringern, will die PP-Regierung ausgerechnet dem Neubau-Sektor, der Spanien in die Krise geritten hat, neues Leben einhauchen. Die Regierung Zapatero hatte – zu spät, aber immerhin – 2007 wilde, ungeregelte Bauplanungen erschwert, um die Immobilienkrise zu bremsen. Rajoy hat hingegen angekündigt, neue Bauprojekte durch deregulierende Schritte zu erleichtern. So ist zu befürchten, dass der Finanzsegen des auf dem EU-Gipfel vereinbarten Investitionsprogramms wieder in eine Branche fließt, die von Korruption durchsetzt und von Pleitegeiern umkreist ist. Dagegen drohen überzeugende Projekte zur zukunftsfähigen Entwicklung des Landes auf der Strecke zu bleiben.

Die Folgen der verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik spürt vor allem die weniger bemittelte Bevölkerung. Die Zahlen sprechen für sich: Ende März 2012 waren 24,4,% der aktiven Bevölkerung arbeitslos gemeldet, in der Krisenregion Andalusien waren es 33%, in der Provinz Cádiz 36,3%. Leichte Rückgänge in der Arbeitslosigkeit, die Anfang Juli gemeldet werden, sind auf den saisonbedingt beginnenden Tourismus zurückzuführen. Seit 2007 hat das Land mehr als 3,5 Mio. Arbeitsplätze verloren, wobei die Statistiken zeigen, dass die jüngsten Arbeitsmarktreformen den Abschluss nur befristeter Verträge stark beschleunigen.

In der Jugend unter 25 Jahren bilden Arbeitslose mit 52% inzwischen die Mehrheit. Und so sind junge Menschen auch der Kern der weiterhin gewaltfreien Protestbewegung, die seit dem 15 Mai 2011 mit Platzbesetzungen, Versammlungen unter freiem Himmel, Demonstrationen und manchmal wochenlangen Protestmärschen aktiv geworden ist. Diese „Bewegung des 15. Mai“, der „Empörten“, der „wirklichen Demokratie – jetzt“ ist in zahlreichen Orts- und Stadtteilgruppen dezentral aktiv und über die Informationsmedien vielfältig vernetzt. Das gesellschaftliche Gewicht dieser Widerstandsbewegung ist gegenwärtig schwer überschaubar, zumal sich die jungen Leute nicht parteimäßig oder parteiähnlich organisieren, keine gezielten Wahlaufrufe gemacht, allerdings zur Nichtwahl von PP und PSOE, teilweise auch zum Wahlboykott aufgerufen haben. Die zunehmend systemkritische Izquierda Unida, bis auf den linksgrünen Zweig in Katalonien bisher überwiegend von den Reformkommunisten geprägt, verzeichnet bisher nur moderat zunehmende Wählerstimmen.

Dafür hat die PP-Regierung präventiv die Demonstrationsrechte eingeschränkt. So müssen künftig Teilnehmer nicht angekündigter oder aufgelöster Kundgebungen die Kosten des Polizeieinsatzes selber tragen. Einen Vorgeschmack der neuen „Regel“ erhielten 600 identifizierte Akteure der Jubiläumsbesetzung der inzwischen legendären „Plaza del Sol“ in Madrid, am letzten 15. Mai. Sie wurden mit Bußgeldern von jeweils 300 bis 2.000 € bedacht. Von einer ökonomisch abgehängten Jugend treibt der Staat Gelder ein, während das Jahreseinkommen der Bankvorstände regelmäßig die Millionengrenze übersteigt. Die Vorstände der halb bankrotten Bankia, so wird in der Indignados-Bewegung verbreitet, erhalten Jahresgehälter zwischen 1,6 und 2,4 Mio € , sowie Boni – wofür? – in unbekannter Höhe. Und im ganzen Land wird kommentiert, dass die Vorständler der gleichfalls maroden Sparkasse von Galizien, Caixa de Galicia, sich Boni in Höhe von 24 Mio € ausgezahlt haben. Zu einer Zeit, in der die Bank Staatshilfen beantragt hatte.

Wann werden Spanien die kumulierten sozialen Gegensätze und Widersprüche um die Ohren fliegen? Auf Dauer lässt sich eine Jugend nicht ungestraft ausgrenzen. Zumindest das kann das Land aus dem benachbarten Nordafrika lernen.

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