Regenwaldschutz statt Holzexporte – Der Fall Liberia

von Hartwig Berger

In den Diskussionen zum Problem der Holzimporte zu energetischen Zwecken wurde geltend gemacht, die prinzipielle Kritik an dieser Strategie anhand konkreter Analysen zu überprüfen.

Ich beziehe mich dazu auf Liberia, das Land, aus dem der Konzern Vattenfall Holzimporte plant. Sie sollen überwiegend der Zufeuerung in Kohlekraftwerken dienen, um die Emissionsbilanz zu verbessern und damit den Zukauf von CO2-Zertifikaten im EU-Emissionshandel zu verringern.

Trotz des 15jährigen Bürgerkriegs, der u.a. mit illegalen Holzexporten nach Europa und China finanziert wurde, sind mit 4,4 Mio ha noch 45% der Landesfläche Liberias von Wald bedeckt. Liberia ist das einzige Land Westafrikas, in dem noch umfangreicher Regenwald existiert. Ihn vor weiterer Vernichtung zu bewahren, ist unstrittig ein wichtiges Anliegen. Die derzeitige politischen Führung des Landes unter der seit 2006 amtierenden Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf nimmt dieses Anliegen durchaus ernst. Überlegt wird, wie bei Erhaltung des Waldbestandes Staatseinnahmen erzielt werden können. Erklärte Absicht ist es auch, diese Gelder zum Abbau des gesellschaftlichen Elends zu nutzen, welches der u.a. mit Waldvernichtung finanzierte Bürgerkrieg in Liberia hinterlassen hat. So sind Hunderttausende vor bewaffneten Banden nach Monrovia geflüchtet; Die Einwohnerzahl der Hauptstadt ist in dieser Zeit auf anderthalb Millionen Menschen gewachsen. Die Mehrheit der Geflüchteten schlägt sich dort in notdürftig errichteten Hütten, mit Gelegenheitsjobs, bedroht oder betroffen von chronischem Hunger durch.

Für den Umgang mit dem Regenwald hat das Land zwei Optionen, den Weg einer defensiven und den einer offensiven Erhaltung des Bestandes. Die zunächst verfolgte defensive Strategie setzt auf den Export von Nutzhölzern, die nicht breitflächig gerodet, sondern die selektiv unter Bewahrung des Bestands geschlagen werden. Wertvolle Edelhölzer in europäischen Kohlekraftwerken verfeuern zu wollen, wäre schon aus ökonomischer Sicht kaum zu vertreten. Um einen umweltverträglichen Holzeinschlag zu sichern, ist an die Einrichtung eines Kontrollsystems gedacht. Dazu wurde eine in der Schweiz ansässige Gesellschaft beauftragt, deren Arbeit vorwiegend die Weltbank finanziert. Zur Kontrolle sind landesweit 40 Personen vorgesehen. Sofern die Überprüfung flächendeckend und zuverlässig erfolgen soll, müssten die Fällungen vor Ort oder zumindest jeder einzelne Holztransport überprüft werden. Mit dieser Personaldecke ist das nicht zu leisten.

Hinzu kommt, dass auch ein funktionierendes Kontrollsystem nicht vor Fälschungen gefeit ist, ganz abgesehen von den Verführungen der auch in Liberia endemischen Korruption. Die Herkunft von Holzeinschlägen kann in den seltensten Fällen rückverfolgt werden. Gegenwärtig werden hier Verbesserungen durch Verfahren genetischer Analysen oder durch chemische Untersuchungen der Holzfasern erwogen. Man hofft, dadurch die örtliche Herkunft der Bäume genauer bestimmen zu. Solche Feinanalysen sind bisher noch nicht anwendungsreif. Da kostenintensiv, könnten sie aller Voraussicht nach nur stichprobenartig durchgeführt werden. Zudem erlauben sie keine Rückschlüsse, ob die Holzgewinnung umweltverträglich oder in waldvernichtender Form durchgeführt wurde. Und schließlich ist immer in Rechnung zu stellen, dass der Einsatz schwerer Maschinen im Wald und die Herstellung von Transportwege für die Holzfuhren auch dann zu Waldzerstörungen führen, wenn Holzeinschläge selektiv erfolgen.

Wenn Liberia jetzt in die defensive Strategie der Walderhaltung einsteigt, steht folglich zu eine Entwicklung ähnlich der in Ghana und der Elfenbeinküste zu befürchten, wo binnen weniger Jahrzehnte fast der gesamte Regenwald vernichtet worden ist.

Der Holzexport soll in Liberia mit einer stärker exportorientierten Landwirtschaft verbunden werden, die bisher ganz überwiegend für den inländischen Bedarf produziert. Eine wichtige Rolle spielen hier im dafür günstigen westafrikanischen Klima Kautschuk-Plantagen, die für einen hohen und weiter anhaltenden globalen Bedarf an Gummi-Produkten gefragt sind. Die Plantagenwirtschaft hat das traditionelle – und weit umweltverträglichere – Zapfen von Kautschuk in den Wäldern durch die indigene Bevölkerung verdrängt. Intensiv kultivierte Kautschuk-Bäume verlieren nach 25-30 Jahren weitgehend ihre Produktivität; in geregelter Plantagenwirtschaft werden sie folglich eingeschlagen und durch Neupflanzungen ersetzt.

Aufgrund von Aktivitäten eines kürzlich gegründeten Unternehmens – der „Buchanan Renewables“ – soll das anfallende Altholz nicht stofflich, sondern energetisch genutzt werden. Dabei ist allerdings nicht daran gedacht, den großen Brennholzbedarf innerhalb Liberias abzudecken. Die nicht kaufkräftige arme Bevölkerung in Monrovia und auf dem Land wird ihre Kochstellen weiterhin mit Holzkohle und Rohholz u.a. aus dem Regenwald bestreiten müssen. Geplant ist allerdings der Bau und die Belieferung einer Stromerzeugungs-Anlage von 35 MW in Liberia, die mit Dieselöl betriebene Generatoren in öffentlichen Einrichtungen und in Haushalten der Oberschicht ersetzen kann. Zum größeren Teil soll das gefällte Kautschuk-Holz westlichen Energieunternehmen zur Verfeuerung angeboten worden: Hier kommt – als nur ein Beispiel – der eingangs erwähnte Plan des EVU Vattenfall ins Spiel, seine CO2-Emissionsbilanz durch Holzzufeuerung zu verbessern. Als erster Einstand werden allein für die Vattenfall-Kraftwerke in Deutschland pro Jahr 6-8 Mio. t an Holz nachgefragt. Sie sind über den bereits überlasteten Holzmarkts innerhalb Deutschlands und der EU nicht zu beschaffen. Ein Erwerb auf dem Weltmarkt ist daher die Konsequenz.

Vattenfall zielt hier auf einen Kontrakt mit der erwähnten Firma Buchanan Renewables. Allerdings reicht das auf Liberias Plantagen anfallende Holz höchsten für 2-3 Jahre. Der Schritt in weitere Holzreservoirs – immer dem lebenswichtigen inländischen Bedarf der armen Bevölkerung entzogen – drängt sich auf. Ein Griff auf Regenwald-Bestände, vielleicht im Rahmen der obern skizzierten defensiven Strategie, ist zu befürchten – mit allen genannten Unzulänglichkeiten. Überhaupt fragt sich, weshalb das hochwertige Kautschuk-Holz aus Westafrika, statt stofflich genutzt zu werden, für den überhöhten Strombedarf der altindustriellen Länder verheizt wird … .

Die skeptischen Überlegungen können eine Stufe weiter geführt werden: Die Kautschuk-Plantagen (nicht nur) Liberias dürften überwiegend auf dem Boden ehemaliger Waldflächen entstanden sein. Faits accomplis sind immer schwer rückgängig zu machen… . Gleichwohl wird in der globalen Klimapolitik immer zunehmend diskutiert, wie nicht nur der Ausstoß von Treibhausgasen begrenzt, sondern zusätzlich die atmosphärische Überlast, insbesondere des Kohlendioxid. verringert werden kann. Ein in jedem Fall umweltverträglicher Weg, der sich hier anbietet, ist – abstrakt formuliert – die Stärkung der Biokapazität der Pflanzenwelt und – konkret gesprochen – vor allem: Die Wiederbewaldung gerodeter oder durch Erosion zerstörter Landstriche auf unserem Planeten. Für eine zukunftsgewandte globale Klimastrategie stellt sich also nicht nur die Aufgabe der Walderhaltung, sondern ebenso die der Wiederherstellung von Wald und anderer Vegetationsformen von höherer Biokapazität – und meist auch Biodiversität.

Ist ein solcher Weg für Liberia denkbar, realistisch und gegebenenfalls auch ökonomisch vorteilhaft? Damit kommen wir zu Überlegungen einer offensiven Strategie der Walderhaltung, wie sie gegenwärtig dort im Land angestellt werden:

In der internationalen Klimapolitik ist die Einrichtung eines Finanzmechanismus zur Erhaltung von Wald und von biologischer Degradation bedrohten Flächen vereinbart worden: REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation). Für REDD gibt es bereits verbindliche Zusagen aus verschiedenen Staaten wie Norwegen und Deutschland und aus Gemeinschaften wie der EU. Für eine Anwendung von REDD in Liberia engagiert sich etwa die aus den USA stammende NGO „Conservation International“. Ihr mit der Regierung verhandelter Vorschlag ist, die volle Erhaltung des Regenwalds über REDD zu finanzieren. Um das zu illustrieren: Wenn die Vermeidung von einer Tonne CO2 – eher gering – mit 15 € belohnt wird, entspräche dem gesamten Regenwalds Liberias ein Jahrseinkommen von 80 Mio €, das sind 30% des gegenwärtigen Staatshaushalts. Eine von CI beauftragte Studie der Harvard University ergab, dass mindestens 55 Mio. Dollar an jährlichen Staatseinkünftigen zu erwarten wären.

Diese Finanzen könnten für die Rücksiedlung der Flüchtlinge aus den Elendsquartieren Monrovias in ihre angestammte Heimat eingesetzt werden. Dabei wird es wichtig sein, Formen der Landbewirtschaftung zu unterstützen, die nicht auf die noch vielfach praktizierte Brandrodung – also auf Waldvernichtung – setzen, sondern die sich auf eine bessere Bewirtschaftung der nicht bewaldeten Zonen konzentrieren. Außerdem müssen Lösungen für den hohen Alltagsbedarf an Brennholz, für Kochzwecke, gefunden werden. Hier ist die Zusammenarbeit mit der weltweit aufstrebenden Solarbranche gefragt. Im sonnenreichen Äquatorbereich sollten Techniken des solaren Kochens Anwendung finden können.

Doch auch hier wäre der Import aus den hoc industrialisierten Ländern nicht der goldene Weg, sondern der zügige Aufbau entsprechender Fabriken in Liberia selbst. Auf jeden Fall aber sollte energetisch zu nutzende Holzabfälle in Liberia für den dringenden Bedarf der armen Bevölkerung verbleiben, statt die Emissionsbilanzen europäischer Kohlekraftwerke zu verschönen. Deren Verschönerung verschlechtert zudem die globale Klimabilanz, da der ihr vorausgehende Holzeinschlag anderswo Wald vernichtet, zumindest aber die einheimische Bevölkerung weiterhin dazu zwingt, Baum- und Waldbestand für den eigenen Brennholzbedarf zu nutzen. Um davon zu schweigen, dass die Menschen in Liberia ihr einheimisches Holz für den Bau von Wohnhäusern, Getreidespeichern, und von Mobiliar brauchen. Der wertvolle Rohstoff Holz sollte vor Ort genutzt werden, statt den überhöhten Energie- oder Möbel-Bedarf in den altindustriellen Länder decken zu helfen.

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